Italien rückt nach rechts – Warum Investoren aber gelassen bleiben können
27.09.2022
Der weithin erwartete Sieg der Rechtskoalition bei den Parlamentswahlen in Italien stellt derzeit kein unmittelbares Risiko für die Anleihe- und Aktienmärkte dar. Die Tatsache, dass das Land nun von einer Gruppe euroskeptischer Parteien unter einer unerprobten Führung regiert wird, erhöht jedoch das Risiko eines zukünftigen Vertrauensverlusts in die italienischen Staatsfinanzen.
Die Risikoprämie für italienische
Staatsanleihen hat sich von ihren Tiefstständen in der Corona-Pandemie
zwar wieder mehr als verdoppelt, für zehn Jahre liegt die Zinsdifferenz
zu deutschen Bundesanleihen aktuell bei 230 Basispunkten. Auslöser war
aber nicht der politische Kurswechsel des Landes, sondern vielmehr die
Straffung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank mit ihren
Auswirkungen auf Peripherie-Anleihen.
Zum
Wochenauftakt blieb der Trend zunächst bestehen, jedoch waren dies auch
die geldpolitischen Nachwehen aus der vergangenen Woche, der
Vertrauensverlust ins britische Pfund und die weitere Eskalation im
Ukraine-Krieg durch die Teilmobilmachung Russlands. Die aktuelle
Ausweitung der Spreads für italienische Staatsanleihen sind auch deshalb
nichts Ernstes, weil wir eine Aufwärtsbewegung bei allen Zinssätzen
sehen. Interessant wird es dann, wenn die designierte Regierungschefin
Meloni ihre Liste der künftigen Minister vorstellen wird. Die erste
wichtige Entscheidung dürfte die Ernennung des Finanzministers sein,
wobei eine pro-europäische, fiskalisch vorsichtige Persönlichkeit als
wahrscheinlich gilt und damit Druck aus dem Kessel nehmen sollte. Direkt
nach der Wahl ist auch nicht von einem sofortigen Vorstoß für eine
größere finanzpolitische Lockerung in Italien auszugehen. Mittelfristig
jedoch droht die Gefahr, dass die politische Agenda von Meloni mit den
Zielen der Europäischen Union kollidiert.
Die EZB hat Erfahrung in der Krisenbekämpfung - aber reichen Worte aus? Grundsätzlich
werden in Europa geld- und finanzpolitische Probleme anders als in den
USA gelöst. Oft warten die Europäer hierbei gern zu lang mit ihren
Hilfspaketen, sodass die Betroffenen bereits über dem Abgrund hängen,
bis EU und EZB ein Seil zur Hilfe schicken. Dies sorgt immer wieder für
verhärtete Fronten und durch die späte Hilfe für sehr viel Frust.
Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, übergeht aktuell geschickt
die Differenzen im Rat über die Frage, ob, wie und wann auf die
Unterschiede bei den Renditespannen zwischen den einzelnen
Mitgliedsländern reagiert werden soll, und verweist seit März auf die
große Erfahrung der Bank bei der Entwicklung von
Krisenbekämpfungsinstrumenten. In der Vergangenheit hat die EZB ihre
Krisentauglichkeit zweifelsohne bewiesen. In Wirklichkeit steht die
Notenbank aber nun vor der Qual der Wahl zwischen zwei unangenehmen
Folgen. Entweder sie reagiert nicht auf die Inflation von über neun
Prozent oder sie schürt die Angst vor einer möglicherweise
existenziellen Spaltung zwischen den stärkeren und den schwächeren
Mitgliedern der Eurozone.
Auch
wenn es unwahrscheinlich ist, dass die EZB als Reaktion auf eine
moderate Ausweitung der Spreads direkt eingreift, sollte man davon
ausgehen, dass sie letztlich handeln würde, um die erheblichen
Verzerrungen einzudämmen, solange sich Italien mit der EU über die
Haushaltspolitik einig ist. Derzeit werden die Anleger in kurz- bis
mittelfristigen italienischen Anleihen gut für die Risiken entschädigt,
die sich aus der hohen Staatsverschuldung des Landes und den
wiederkehrenden Episoden politischer Unsicherheit ergeben.
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