DFB-Nationalspieler: Robin Koch: "Das hat mir als jungem Kerl die Augen geöffnet"
Robin Koch ist aktuell der begehrteste deutsche Abwehrspieler. Hier spricht er über seinen Höhenflug mit Eintracht Frankfurt – und den besonderen Geist in der Nationalmannschaft.Robin Koch sitzt in einem schlichten Sessel der Kategorie Gartenmöbel, allwetterfest. In seinem Rücken liegt der "Home Ground", das Basislager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Herzogenaurach. Hier, in der fränkischen Provinz, ist das DFB-Team untergebracht während der Endrunde der Nations League, die an diesem Mittwoch mit der Partie gegen Portugal (21 Uhr, ZDF) beginnt. Koch, 28, hat beste Chancen auf einen Platz in der Startelf von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Koch war in der zurückliegenden Saison einer der besten deutschen Innenverteidiger – zudem gibt es in der DFB-Defensive einige verletzungsbedingte Ausfälle. "Ich bin bereit", sagt Koch, für den nun eine lange Wartezeit zu Ende gehen könnte. Herr Koch, Julian Nagelsmann hat nach der EM eine viel beachtete Rede gehalten, in der es um Solidarität und Zusammenhalt im Land ging. In dieser Rede hat er explizit Sie erwähnt. Obwohl Sie als einziger Feldspieler zu keinem EM-Einsatz gekommen seien, hätten Sie die Mannschaft bis zum Schluss unterstützt und Ihre Enttäuschung nicht gezeigt. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?Wir haben bei der Nationalmannschaft etwas Besonderes geschaffen. Echten Teamspirit. Wir mögen uns, wir haben uns etwas zu sagen, und wir haben gemeinsame Ziele. Da ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich den Jungs helfe, wo es geht. Obwohl ich das gern auch auf dem Platz getan hätte.Worin zeigt sich dieser Teamgeist, den Sie so beschwören?Nach dem Essen sitzen wir manchmal noch eine Stunde zusammen und reden. Über dies und das – und nicht nur über Sportliches. Wir verstehen uns eben.Sie sind jetzt für neun Tage im Home Ground untergebracht, einem kleinen Appartementdorf in Herzogenaurach. Wer sind Ihre Nachbarn?Wie schon während der EM: Waldi (Waldemar Anton, Anm. der Red.) und Jona (Jonathan Tah), beide Innenverteidiger wie ich. Und Tom Bischof, der zum ersten Mal dabei ist.Schlüsselspieler: Robin Koch hat Eintracht Frankfurt auf den dritten Tabellenplatz geführt – und damit in die Champions League © Arne DedertSie zählen zwar schon seit sechs Jahren zum Kreis der Nationalspieler, haben aber zuletzt noch mal einen großen Schritt nach vorn gemacht. Sie sind einer der Schlüsselspieler bei Eintracht Frankfurt, dem Überraschungsteam der zurückliegenden Saison: Platz drei in der Liga, noch vor finanziell deutlich besser gestellten Teams wie Dortmund oder Leipzig. In der nächsten Saison spielt die Eintracht in der Champions League. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?Unsere größte Leistung war es, dass wir nach der Winterpause den Verlust von Omar (Marmoush; wechselte zu Manchester City) weggesteckt haben. Omar hatte in der ersten Saisonhälfte 15 Tore geschossen und neun Vorlagen gegeben – er war unser mit Abstand bester Offensivspieler. Als er weg war, sagten manche: Das verkraftet die Eintracht nicht. Jetzt geht es abwärts mit denen. Irrtum. Wir haben als Mannschaft die Lücke gefüllt, die Omar hinterlassen hatte. Dass wir das geschafft haben, hat uns viel Selbstvertrauen gegeben. Das hat uns durch die Rückrunde getragen.Es war für mich ein Schritt aus der Komfortzone herausIhre herausragenden Leistungen als Abwehrchef sind auch der Konkurrenz aufgefallen. Es heißt, Leverkusen, Dortmund und Leipzig hätten Interesse, Sie zu verpflichten. Wie gehen Sie damit um?Es ist normal im Fußballgeschäft, dass man Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn man gut performt. Zugleich muss ich sagen: Ich fühle mich in Frankfurt sehr wohl.Als junger Spieler sind Sie vom SC Freiburg zu Leeds United gegangen – da waren Sie erst 23 Jahre alt. Was haben Sie in der Premier League gelernt?Es war für mich ein Schritt aus der Komfortzone heraus. Anderes Land, andere Sprache, und dann kam auch noch die Corona-Pandemie dazu. Da konnte ich nicht so einfach nach Deutschland, wenn ich meine Familie sehen wollte. Ich bin erwachsen geworden in England. Reifer als Mensch und als Spieler. Ich habe gelernt, schwierige Situationen zu meistern.Fußballfachlich gefragt: Was genau haben Sie mitgenommen aus Leeds?Für eineinhalb Jahre war dort Marcelo Bielsa mein Trainer. Ein Mann, den auch Pep Guardiola als Koryphäe bezeichnet. Er weiß unglaublich viel über Fußball, er geht tief ins Detail, die Video-Analysen mit ihm haben mir als jungem Kerl öfter mal die Augen geöffnet.Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen modernen Innenverteidiger aus?Früher genügte es zu verteidigen, heute kommt die Spieleröffnung hinzu. Man muss taktisches Verständnis haben, ein Gefühl fürs Spiel, und natürlich muss man präzise passen können.Ich finde es wichtig, dass man diejenigen im Blick hat, die Hilfe benötigenWenn man Sie spielen sieht, könnte man meinen, Sie mögen den kreativen Part Ihres Jobs besonders.Ich habe es schon immer geliebt, das Spiel von hinten aufzubauen. Auf der Position sechs, vor der Abwehr, bin ich großgeworden als Spieler. Das habe ich immer noch in mir drin.Sie fallen auch außerhalb des Platzes auf mit Aktionen. In Freiburg haben Sie sich bei den Maltesern engagiert, in Leeds sich um sozial benachteiligte Kinder gekümmert und nach der Ahrtal-Flut ein Benefizspiel mitorganisiert. Waren Sie schon immer ein Helfertyp?Ich finde es wichtig, dass man nicht nur auf sich schaut, sondern auch diejenigen im Blick hat, die Hilfe benötigen.Unterstützen Sie vorwiegend mit Spenden oder packen Sie auch mit an?In Freiburg bin ich auch mal einen Tag mit den Maltesern unterwegs gewesen. Morgens Lebensmittel einkaufen und dann mit dem Auto ausliefern an ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger. In England bin ich öfter zu den Kids der Leeds Children's Charity rausgefahren und habe Zeit mit ihnen verbracht. Es war großartig zu spüren, was ihnen das bedeutet, wenn ich da bin. Das war jedes Mal ein Geschenk für mich.
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